Sonderbeilage

Mitteilungen

des Heimatbundes für das Fürstentum Ratzeburg
(früher Altertumsverein)

5. Jahrg.                    November 1923     Sonderbeilage zu Nr. 4.

Hexen und Hexenverbrennungen im Lande Ratzeburg

von C.D.Endler-Neustrelitz

 

In schöner Erinnerung sind wohl jedem noch die Märchen der Kindheit, die Geschichten von Schneewittchen, Dornröschen, Rotkäppchen und wie Sie alle heißen. Mit Freude denkt man auch an Hänsel und Gretel und die Spannung , mit der man lauschte, wenn die böse Hexe die Kinder töten wollte. Ein Gruseln kam einen an über solch furchtbares Wesen, von dem man bald weiteres hörte, dass es auf einem Besenstiel durch die Luft reiten könnte und Ähnliches.
Ein wenig gruselig wird es einem heute noch, wenn man an so ein dickes Bündel mit Hexenprozessen herangeht. Aber wenn man sich an sie vertieft, dann kommt einen ein Grausen an, nicht über die Hexen, nein, für die kann man nur Mitleid haben, aber vor den Richtern, die mit massloser Grausamkeit vorgingen, vor den Menschen, die in blindem Fanatismus nicht ruhten, bis Sie die Hexe zum Tode bringen konnten. Aber auch Sie handelten ja nur als Kinder ihrer Zeit, und wenn wir mitleidig oder voll Abscheu an die Menschen des 17. Jahrhunderts denken, dann dürfen wir nicht vergessen, dass wir 300 Jahre später leben, und dass auch über uns einmal unsre Nachkommen vielleicht verächtlich denken. Erbarmungsloser, härter als wir war jenes Geschlecht, denn wer könnte heute zusehen, wenn ein Mensch gefoltert würde, wenn ihm die Daumen zerquetscht würden, wenn die Beine krachten unter dem Druck der Beinschienen und dann noch brennender Schwefel auf den Leib geträufelt würde. Ja, damit nicht genug, ununterbrochen traf die Peitsche des Henkers auch noch ihr Opfer. Und dann sagte man noch, es wäre eine „menschliche“ Folter gewesen. Da bedeutete wohl der Holzstoß für die Hexe eine Erlösung, und sie gestand alles mögliche, von dem ihre Seele nichts ahnte, um dies Ende zu finden, Gott zur Ehre, ihrer Seele zur Rettung.
Durch ganz Deutschland loderten die Scheiterhaufen, und auch hier im Norden ist manche Hexe gebrannt und nicht zuletzt im Land Ratzeburg, sind uns doch aus der kurzen Zeit von 1612-1700 35 Prozesse erhalten, der grössere Teil aber ist verloren. Bis 1689 enden fast alle mit dem Tode der Angeklagten. Damals loderten die letzten Scheiterhaufen im Land Ratzeburg und seiner näheren Umgebung, im Dorf Bennin dafür waren es aber gleich drei. Von nun an ließ die Regierung keinen Brand mehr zu, aber die Bauern drängten noch oft auf die Verurteilung einer bösen Dorfhexe, so dass Sie durch Strafandrohung erst zur Ruhe gebracht werden konnten.
Auf die Entstehung des Hexenglaubens kann hier nicht näher eingegangen werden. Jedenfalls war der Mensch des 17.Jahrhunderts vollkommen in dem Glauben befangen, dass alles, was Böses geschah, ihm durch die Hexen zugefügt war. Wie man sich deren Tätigkeit vorstellt, geht am besten aus den Bekenntnissen der Hexen hervor, die natürlich nur Dinge bekennen konnten, die man sich allgemein im Volk erzählte.
Wie wurde man Hexe! Dazu musste man zunächst Gott verleugnen und den Teufel annehmen. Meist bekam die Bewerberin Anleitung durch eine alte Hexe. Die Feierlichkeit ist überall in Deutschland ähnlich. Hier im Land Ratzeburg erscheint der Teufel mit einem weissen Stock, die angehende Hexe fasst diesen an und spricht die Worte: „Ich greif an diesen weissen Stock und verlasse meinen Herren Gott“. Damit ist das Teufelsbündnis geschlossen. Eine ältere Art, die sich im Anfang des 17. Jahrhunderts findet, ist die, dass der Teufel der Hexe ein Stück Geld als Brautschilling gibt und damit eine richtige Ehe geschlossen wird. Mit Leib und Seele gehört die Hexe dann dem Teufel. Seine Gestalt wird verschieden geschildert. Bei Ilse Braun (1604 verbrannt) sieht der Teufel wie ein rauher Hund aus. Meist aber hat er menschliche Gestalt. Greta Iirschen aus Bennin (1689 verbrannt), die standhaft die schwerste Folter erträgt, aber zusammenbricht und bekennt, als der Henker zum zweitenmal Hand an sie legt, erzählt, dass der Teufel zuerst wie eine Bremse um Sie herumgeflogen wäre, dann aber Menschengestalt angenommen hätte. Sehr anziehend sieht er auch da noch nicht aus. Er hat nur die Grösse eines Kindes, ein schwarzes Gesicht und statt der Füße Krähenbeine. „ Vom Mantelchen von teurer Seide“ ist auch nichts da, sondern er trägt nur einen schwarzen Rock und einen alten Hut. Auch die andern Teufel der Greta Jirschen – sie hat nämlich drei – sehen ähnlich aus, nur die Grösse ist noch geringer und die Röcke haben andere Farbe. Der Teufel Telsche Blanks (aus Gross Mist, 1668 verbrannt) hat Pferdefüße. Auch Namen hat der Teufel. 1604 wird er einmal als Beelzebub bezeichnet, sonst aber trägt er Namen, wie Sie in dem bäuerlichen Kreis, in dem die Hexen lebten, verbreitet sind, z.B. Chim, Heinrich, Claus, Jürgen, Marten, Hans. Mitunter bringt die Hexe dem Teufel auch Kinder zur Welt, die wie Poggen aussehen und gleich tot sind. Die Ursache zum Teufelsbund ist in den meisten Prozessen nicht recht erkennbar. Einige lernen es von ihrer Mutter oder ihrem Vater gezwungen. Greta Iirschen gibt an, dass sie es getan hätte, um reich zu werden, ebenso Ilse Braun; doch beklagt diese sich bitter, dass der Teufel nicht Wort gehalten hätte. Sie hat auch nicht viel Gutes von ihm erfahren, denn wenn sie sich etwas zusammengebettelt hat, frisst er es ihr wieder auf.
Die Hexen untereinander hielten fest zusammen und hatten bestimmte Zusammenkunftsorte. Am bekanntesten ist ja der Blocksberg, doch so weit hat sich keine Ratzeburger Hexe verirrt. Nur Telsche Morian aus Schlagbrügge (1667 verbrannt) spricht vom Blocksberg, fügt aber ausdrücklich hinzu, dass es nicht der große, sondern ein kleiner in der Nähe gewesen wäre. Telsche Blank nennt als Versammlungsort den Fenckenberg in Holstein. Hier ist es üppig zugegangen. Teufel sind mehrere dagewesen, und einer hat Kälber und Schweine geschlachtet, die auf dem Rücken einer Hexe zugehauen wurden. In Ratzeburg selbst wird nur der kleine Königsberg bei Demern als Hexentanzplatz genannt. Bennin, das überhaupt viel Hexenwesen aufweist, hat sogar einen eigenen, allerdings sehr primitiven Blocksberg. Die Hexen versammeln sich hier auf dem Hof der 1689 als Hexe verbrannten Nieland und zwar auf dem Misthaufen.
Mit dem Eingehen des Teufelsbundes verpflichteten sich die Hexen, möglichst viel Böses zu tun. Dies geschah nun entweder, indem einfach der Teufel hingeschickt wurde, der das Böse ausführte oder durch allerhand Zaubermittel. Hauptsächlich gab man beim Viehsterben den Hexen Schuld. Doch auch der Tod von Menschen oder ihre Erkrankung sollten Sie verschulden. Ganz abgesehen von dem Verschwinden von Butter, Milch, Korn usw., das ihnen zur Last gelegt wurde. Eigentümliche Gebräuche finden sich nun bei diesem Zaubern. Um Vieh und Menschen krank zu machen oder zu töten, gießt man dem andern einen „goet“ (Guss) vor die Tür. Bei der Bereitung solcher Zaubermittel spielen Poggenbeine (Froschbeine) eine Rolle, daneben aber auch Hunde-und Katzenblut zusammen mit Meerzwiebel. Die Pogge ist auch sonst beim Zaubern beliebt. Es gibt Hexen, die nur eine Pogge zu treten brauchen, damit Ihnen die Milch der Nachbarn zufließt. Neben dem Guss wird auch gelbes Gift auf den Weg, den der andere nehmen muss, gestreut, als wirksam genannt. Auch das Bestreuen mit Asche wendet die Hexe bei Kindern an, überhaupt ist es bedenklich, von einer Hexe etwas anzunehmen oder ihr etwas zu leihen. Nicht minder gefährlich ist es, ihr Auskunft über Viehstand, Milchgeben der Kühe usw. zu geben, denn dann hat sie die Möglichkeit zu schaden. Doch die Hexen töten nicht nur Menschen und Vieh oder machen es krank, sondern Sie geben sich auch mit dem Milchzauber ab. Die Pogge oder „Quadenpogge“ ist da schon genannt. Eine ganz besondere Art, Butter zu bekommen, hat Ilse Braun. Sie schlug mit einem Stock ins Wasser und sprach dabei die Worte: „Ich bottere dy, Christ, de röhre dy, de Duvell bringe de Botter to my“ (Ich buttere dich, Christ, die xxx dich, der Teufel bringe die Butter zu mir). Dann schwamm die Butter auf dem Wasser zu ihr hin. Dass ihr ihr Teufel die Butter gleich wieder auffraß, steht ja auf einem anderen Blatt. Ganz zu trauen ist solcher Teufelsbutter allerdings nicht, denn Telsche Morian warnt ihre Leute ausdrücklich, solche Butter zum Wagenschmieren zu nehmen, da dann der Wagen zerbräche.
Wenn man dem Nachbarn die Butter verderben will, dann genügt es , wenn man einen Baum auf der Grenze schmiert, sofort wird alles Glück weg sein. Um ihm das Gedeihen des Viehes zu stehlen und es seinen eigenen Tieren zuzuwenden, stiehlt man dem Nachbarn beim Brotbacken die Gastell, den Schieber zum Brotschieben, und gräbt ihn noch heiss vor den eigenen Kühen ein. Auch wenn man die eigene Gastell rauchend vor den Kühen hin- und herschwenkt, gedeihen sie. Alle solche Mittel wollten die Hexen nach ihren eigenen Aussagen, d. h. nach dem Volksglauben anwenden, um sich zu bereichern. Auch passten sie wohl auf, wenn der Nachbar mit dem Dreschen begann. Sofort warfen Sie ebenfalls Korn auf die Tenne, und siehe da, alles Korn floss ihnen zu. Dem Mitmenschen das Korn zu verderben, gruben sie ein Ei in den Acker, dann gab es Misswachstum. Auch die Schafe konnten sie töten, sie gruben dann den Kopf eines geschlachteten Hammels auf dem Wege, den der Schäfer mit seiner Herde nehmen musste, ein.
Doch nicht nur Böses konnten die Hexen tun, sie verstanden auch zu heilen. Die heute noch so weit verbreitete Kunst des Bötens (Besprechen) war ihnen ebenfalls meist gegeben. Wenn es ja auch Leute gab, die nur böten aber nicht hexen konnten, So recht traute man ihnen doch nicht. Die Kirche wetterte aufs Schärfste gegen den Missbrauch des Gottesnamens beim Böten, besonders der Selmsdorfer Pastor war so zornig über seine Gemeinde, dass er sich beim Amt beklagte und eine Bestrafung der Übeltäter erreichte. Die Form des Bötens ist ja heute noch dieselbe wie damals, und manche der Sprüche, die schon vor zweihundert Jahren angewandt wurden, haben sich wohl erhalten. Gegen Hexenschuss gibt es das Mittel, dass der lahme Rücken mit frischen Weidenruten gestrichen und mit diesen dann der Ofen gepeitscht wird. Sofort ist das Übel behoben.
Weit interessanter aber aber sind die alten Bötsprüche, die die Angeklagten dem Gericht mitteilten. Hier stecken oft noch Spuren alten heidnischen Wesens, wenn auch äußerlich das Christentum herrscht. Einige Sprüche, die in den Sammlungen mecklenburgischer Sprüche nicht enthalten sind, seien hier mitgeteilt.

Gegen Augenschmerzen:
Ick sahe dree Bröder (Ich sah drei Brüder)
under ehnen möder (unter einem Mörser),
ehn is der lefe lichte dach (einer ist der liebe lichte Tag),
der ander is der lefe mand (der andre ist der liebe Mond),
de drudde de klare sunn (der dritte die klare Sonne),
dat Oge war klar (das Auge war klar).
Im Namen des Vaters, des Sohnes und heiligen Geistes. Amen.

Bei einer kranken Hand hilft der Spruch:
Maria tog sick ut baven ehr land (Maria zog sich aus ihrem Land)
und se fauhr dremal up ehre hand (und sie fuhr dreimal auf ihrer Hand),
dat erste dat feil, dat andre (das erste, das fiel, das andere)
verlohr sick, dat drüdde verswand (verlor sich, das dritte verschwand).
Im Namen Gottes usw.

Bei einer geschwollenen Brust:
Unbenömet scham dy, (Unbenamet schäme dich),
der Erbwind jage dy (der Erbwind jage dich).
Im Namen Gottes usw. Dazu wird heisser Leinsamen und Kamillen aufgelegt.

Bei Gicht:
Unser Herr Jesus und Lazarus (Unser Herr Jesus und Lazarus),
die gingen uff einen gemeinen Kirchhoff (die gingen auf einen üblichen Friefhof)
und uff einen grünen Steig (und auf einen grünen Steig).
Mein lieber Herr Jesus, die Gicht (Mein lieber Herr Jesus, die Gicht)
plaget mich (plagt mich).
setze dich dal, (setze dich nieder),
will ihn gripen und binden (will ihn greifen und binden),
er soll verschwinden (er soll verschwinden)
wie die Hand verschwand (wie die Hand verschwand),
die den Herrn Christum band (die den Herrn Christus band).
Im Namen des Vaters usw.

Die Zahl der Bötsprüche liesse sich leicht noch vermehren, doch möge diese Probe genügen. Oft hatte solch Böten Erfolg, oft auch nicht. Jedenfalls erweckte solch geheime Kunst eine gewisse Achtung vor dem, der Sie verstand, und diese Achtung ging leicht in Furcht über. Denn diese überwiegt meist bei solchen Dingen, bei denen man nicht weiss, ob in ihnen nicht neben der Fähigkeit, Gutes zu tun, auch die, Böses zu wirken, enthalten ist. Nützen und Schaden konnten die Hexen, ihre Kraft zu Schaden aber war nach dem Volksglauben die größere.
So gewaltig war also die Macht der Hexen, und natürlich suchte man sich gegen Sie zu schützen. Solange man nicht wusste, wer die Hexe war, war es sehr schwer. Den einzigen Schutz bot noch der sogenannte Kuchen, worunter man das heute wieder so beliebte Hakenkreuz verstand. In andern Gegenden ist es der sogenannte Drudenfuss, der schützte. Auch an den Gefängnistüren brachte man dies Zeichen an. Denn der Teufel kam oft ins Gefängnis zu den Hexen, um Sie durch Erwürgen von der Qual der Folter zu befreien. Wenigstens geben es die Hexen selbst häufig an, und wenn eine Hexe durch die menschliche Behandlung im Gefängnis starb, musste natürlich der Teufel die Schuld haben. So gab man auch 1689 dem Teufel die Schuld, als man Trine Finnen, die als Hexe angeklagt war, tot im Kerker fand. Leichter als gegen unbekannte Hexen konnte man sich wehren, wenn man erst wusste, wer es war,der das Böse tat. Dazu aber gab es verschiedene Mittel. War jemand krank, und der Arzt konnte den Grund nicht finden für die Krankheit, dann besah er den Urin und wusste gleich, ob Hexerei im Spiel war. Auch kluge Frauen, die Böten konnten und ihre Kunst vergeblich angewandt hatten, rieten auf Hexen als Ursache. Allerdings war die Sache für sie nicht ganz ungefährlich, denn wer böten konnte, konnte vielleicht auch hexen. War man sich also klar geworden, dass Hexerei im Spiel war, dann galt es den Schuldigen zu finden. Zunächst suchte man wohl unter seinen Feinden oder überlegte, wer sich mit dem Vieh zu schaffen gemacht. Auch hatte wohl irgend jemand einem eine Verwünschung zugerufen. Man sprach mit Nachbarn von seinem Verdacht, und die fanden denn, dass diese Person ihnen auch verdächtig wäre und schon vor 5, 10, 20 oder mehr Jahren auch schon Schaden getan hätte. Das sich solch Verdacht oft gegen alte arme Frauen richtete, ist dabei nicht wunderbar, denn diese unglücklichen Wesen wurden meist schlecht behandelt und in ihrer Verbitterung stießen sie oft böse Worte aus. Höchst verdächtigt war auch, wer mit einer überführten Hexe verwandt oder von solcher in der Folter als Mithexe angegeben war. Hatte man auf diese Weise einigermaßen einen Grund für einen Verdacht, dann ging man zu der Hexe, sagte ihr ihre Untat ins Gesicht, bat sie um Hilfe oder, was noch besser half, man bedrohte Sie und schlug sie. Wurde es nun besser, wie man fest glaubt, dann war es klar, dass sie die Hexe gewesen war, wurde es nicht besser, dann blieb der Verdacht erst recht. Ein sicheres Mittel, um eine Hexe, die einen Menschen getötet hat, zu überführen, finden wir mehrfach in Ratzeburg. Uralte germanische Sitte hat sich hier erhalten. Die Bahrprobe, durch die schon im Niebelungenlied Hagen als Siegfrieds Mörder entlarvt wird, wird hier gegen Hexen angewandt. Ob diese Sitte allerdings aus Ratzeburg stammt, scheint zweifelhaft. Denn Sie taucht zum erstenmal auf im 30 jährigen Krieg und zwar, wie ausdrücklich berichtet wird, auf Veranlassung von Soldaten. Doch ist es immerhin nicht uninteressant, dass sich germanische Sitte durch all die Jahrhunderte erhalten hat, mag es nun im Feldlager geschehen sein oder bei friedlichen Bauern.
War der Verdacht gegen eine Person im Dorf erst wach geworden, dann wuchs er, man kann fast sagen stündlich. Brach sich einer einen Arm, die Hexe hat es getan, wurde ein Pferd lahm, die Hexe hat es getan, bekam jemand das Reißen im Rücken, den heute noch so genannten Hexenschuss, die Hexe hatte es getan, starb Vieh, brannte etwas ab, wollte es nicht buttern, immer war die Hexe Schuld, mochte die eigentliche Ursache für das Unglück auch eine natürliche oder gar die Nachlässigkeit der Leute sein.
Um dem Unglück Einhalt zu tun, lief man dann zum Amt und zeigte die Hexe an. D.h.,man überlegte sich das sorgfältig, denn die Kosten des Prozesses musste das Dorf tragen und Sie beliefen sich hoch. 26 Taler zahlte das Dorf Bennin 1689 für einen Prozess. Auch musste das Dorf alle Wache beim Gefängnis der Hexe stellen. Wenn man sich klarmacht, welche Belastung für damalige Zeit 26 Taler für ein Dorf waren, dann begreift man erst, wie fest der Glaube an Hexen in den Seelen der Menschen wurzelte, dass Sie trotzdem auf den Prozess drangen, allerdings auch mit aller Schärfe die Verbrennung zu erlangen suchten.
Die Gerichte nahmen solche Hexenklagen mit besonderem Eifer auf. Hatte doch 1484 Papst Innozenz VIII. durch eine Bulle den Hexenprozess für ein Gott wohlgefälliges Werk erklärt. Denn durch den Teufelsbund, der für das Gericht immer das maßgebende Zeichen für die Hexe geblieben ist, wurde diese ja Gottesleugnerin und musste bestraft werden. Der Protestantismus hat sich ebenfalls nicht frei zu machen vermocht von dieser Auffassung, und so finden wir den Hexenprozess in katholischen wie protestantischen Ländern gleich verbreitet, und überall unterstützt ihn die Geistlichkeit kräftig.
Die Form des Prozesses ist, bis auf die einzelnen Fragen, die an die Hexe gerichtet wurden, gleich. Es ist das Inquisitionsverfahren, das sogenannte peinliche Verfahren mit Anwendung der Folter. Auf den Zeugenbeweis verzichtete man fast ganz, nur das Bekenntnis der Angeklagten war maßgebend, dies erpresste man eher durch die Folter. Hier in Ratzeburg allerdings hat man dem Gericht der Volksgemeinde unter der Linde wenigstens scheinbar die Rechtsprechung gelassen. Die Hexe musste hier ihr Bekenntnis, das Sie auf der Folter abgelegt hatte, noch einmal wiederholen und empfing dann ihren Urteilsspruch.
War der gerichtliche Prozess einmal eröffnet, konnte die Hexe sicher mit ihrer Verurteilung rechnen. Einmal allerdings kommt eine angebliche Hexe gut weg. Es ist die Liese Käselow aus Törpt 1633. Ihr Sohn kommt den Anklägern zuvor und erhebt gegen diese die Anklage wegen Verleumdung. Damit war der Dorfschaft der Beweis für Ihre Behauptung zugeschoben, ohne dass die angebliche Hexe gefoltert werden konnte. Die Bauern mussten schließlich mit einem schweren Verweis abziehen. Doch nicht immer stellten sich die Verwandten auf die Seite der Angeklagten. War die Mutter oder Frau angeklagt, dann wurden die Anverwandten herbeigeholt, und diese baten die Arme dann auch noch, zu bekennen. Das allerdings kommt nur einmal vor und zwar 1693, dass der eigene Mann zusammen mit der übrigen Dorfschaft auf das Verbrennen der Hexe dringen. Merkwürdig ist diese Erscheinung und ein Beweis dafür, wie tief der Hexenglaube im Volke steckte. Denn dadurch, dass eine Angehörige einer Familie verbrannt war, kam natürlich die ganze Familie in üblen Geruch. Jener Sohn der Käselow drang eben nicht nur aus Liebe für seine Mutter auf ihre Ehrenerklärung, sondern die Sorge, seine Stellung als Rehnaer Bürger könnte gefährdet werden, spielt dabei auch mit.
Einen guten Ausgang aber nehmen die Prozesse selten, meist ist ihr Verlauf ein ganz anderer. Die Zeugen werden eidlich vernommen, ihre Aussage protokolliert, der Angeklagten vorgelesen und ihre Entgegnung aufgezeichnet. Die so entstandenen Akten werden dann an eine Juristenfakultät, meist Rostock oder Helmstedt, oder auch an den Magdeburger Schöppenstuhl verschickt. Später gehen Sie einfach an die Regierung in Schwerin. Von hier kommt dann meist die Verfügung, dass die Folter vorzunehmen, mit dem Zusatz “menschlicherweise„. Die Folter wird dann vorgenommen, nachdem man der Angeklagten zunächst noch einmal gütlich zugeredet. Sie muss auch wohl das Vaterunser oder das Kirchenlied „Für den Teufel uns bewahr, halt uns beim festen Glauben“ aufsagen. Stößt Sie bei der Stelle „und erlöse uns von dem Bösen„ an, so ist Ihre Lage sehr verschlechtert. Noch einmal folgt dann eine scharfe Vermahnung und man zeigt ihr die Folterinstrumente zur Abschreckung. Eigentlich durfte die Hexe auf Grund des damaligen Strafgesetzbuches nur einmal vorgenommen werden. Doch man wusste sich zu helfen, man folterte eben nicht neu, sondern bezeichnete neue Folterungen nur als Fortsetzungen. Meist kam bald ein Bekenntnis bei den Qualen zustande und der Notar verstand es schon, die Fragen so zu stellen, dass es der Hexe leicht wurde, das zu antworten, was man haben wollte. Indizien, die belastend waren, war eigentlich alles. Floh die Hexe, wie Telsche Blank 1667, galt es als bedenkliches Zeichen. Weinte die Hexe bei der Folter ohne Tränen, half ihr der Teufel, wie bei Greta Jirschen. Hat Sie einen Flecken am Leib, hat der Teufel ihr ein Mal aufgeprägt. Flieht Sie aus dem Gefängnis, geschieht es natürlich aus Angst vor der gerechten Strafe.
Am allerbedenklichsten aber ist es, wenn Sie standhaft die Folter aushält, denn dann hat Sie der Teufel festgemacht, und die Folter wird auf Anordnung der Juristenfakultät verschärft. Endlich bekam man das Bekenntnis, dann suchte man nach Mitschuldigen und presste irgendwelche Namen noch heraus. Das die Hexe die Namen Ihrer Richter oder anderer hochgestellter Persönlichkeiten nennen konnte, nutzte nichts, denn diese durften nicht gefoltert werden, konnten sich also leicht frei machen.
Die Strafe ist bei vollkommener Überführung der Scheiterhaufen. Hat die Hexe Reue bewiesen, wird sie aus besonderer Gnade vorher erwürgt, eine Gnade, die durch die Ungeschicklichkeit des Henkers mitunter zur Strafverschärfung wurde. Bei besonders bösen Hexen oder Hexenmeistern, die auch vorkommen, wurde noch bestimmt, dass sie auf eine Horde (Schleife) zur Richtstatt geschleift werden sollten, so bei Hans Reimer aus Reddingstorf (Raddingsdorf)1624. Mehrmals kommt auch Landverweisung als Strafe vor, doch kehren die alten, armseligen Frauen meist aus Not in die Heimat zurück und werden dann doch noch verbrannt, so Telsche Morian (1666). Besonders erschütternd wirkt es, wenn 1670 die Woltmannsche aus Falkenhagen und die Wilbrandsche aus Grieben um den Feuertod bitten, damit ihre Seele durch Erleiden der irdischen Strafe gerettet werde. Der tiefere Grund, weswegen sie den rauhen Tod durch Verbrennen wünschen, ist der, dass sie wohl wissen, dass Sie in ihrem hohen Alter bei der Kälte (es ist im Winter) doch elend umkommen müssen. Der Scheiterhaufen wird ihnen dann auch gewährt und sie werden vorher erwürgt.
Wie konnten aber nun Menschen, denkende Menschen solche Bekenntnisse ablegen, in denen sie zugaben, Dinge getan zu haben, die doch ausserhalb allen menschlichen Könnens liegen? Diese Frage ist überaus schwer zu beantworten. Sicher ist es meist die unerträgliche Qual der Folter gewesen, die sie alles bekennen ließ, was man von ihnen hören wollte. Aber sie gaben es doch nach der Folter auch noch zu! Auch das erklärt sich eben aus der Angst vor einer neuen Folter. Die Folter aber war ja nicht nur eine körperliche, sondern auch seelisch wurden sie masslos gepeinigt. Immer und immer wieder drangen Richter, Henker und wer immer mit ihnen zusammen war, in sie, zu bekennen. Vor allem auch der Seelsorger, denn die Kirche, auch die protestantische, glaubte ja fest an Hexen. Ja, der Pastor Clasen in Selmsdorf erstattet selbst eine Anzeige gegen eine Hexe, weil er seine Hühner tot im Stall gefunden hatte!
Bei all diesen körperlichen und seelischen Leiden war es kein Wunder, wenn schließlich die Angst vor dem Tode geringer war als die vor neuen Qualen. Auch ist sicher der größte Teil der Aussagen gemacht worden in einem Geisteszustand, der sicher nicht normal war.
Denn die Pausen zwischen den Folterungen in den meist erbärmlichen Gefängnissen waren auch keine Erholung.
Manche Hexe hat sicher schließlich selbst geglaubt, wirklich hexen zu können. Auffallend sind in gewisser Beziehung die Aussagen im Prozess gegen Maria Witte (1604). Hier handelt es sich um die Aburteilung einer ganzen Landstreicherbande, der wegen Mord und Diebstahl der Tod ohne weiteres sicher war. Die Bekenntnisse über das Hexen werden teilweise ohne Folter gemacht, und ich habe den Eindruck, als ob diese Aussagen mit gemacht sind, um bei den Bauern die Furcht vor dem fahrenden Wolf zu erhöhen und sie dadurch zu grösserer Gebefreudigkeit anzustacheln. Doch ist das nur eine Vermutung, die schwer zu beweisen ist. Für die Beurteilung von Hexenprozessen nicht uninteressant ist schliesslich auch ein Fall, der sich 1711 ereignete. Ein 7 jähriges Kind beschuldigt ein junges Mädchen des engsten Verkehrs mit dem Teufel und zwar ist die Anschuldigung unheimlich eingehend. Glücklicherweise war man damals über den Hexenglauben schon hinaus, und so bringt die Untersuchung Klarheit in die Sache. Das Kind ist von seinen Tanten, bei denen es erzogen wurde, immer mit den bösen Geistern geängstigt, wenn es unartig war. Seine Phantasie war also ganz von solchen Geschichten erfüllt, und so erzählte es schließlich von dem Mädchen, das immer gut zu ihm gewesen war, solche Lügengeschichte. So erklärte sich 1711 die Sache, wie aber wäre sie 50 Jahre früher verlaufen? Ob da nicht das Feuer das letzte Wort gehabt hätte?
Mit der Wende des 17. Jahrhunderts ist also das Hexenbrennen vorüber. Der Glaube an Hexen lebte aber noch manches Jahrzehnt im Volke weiter und hat sich in Märchen bis heute erhalten. Oder sollte die Hexenkunft oder vielmehr der Glaube an sie nicht nur in den Märchen noch vorhanden sein?

Den Schluss dieser kleinen Darstellung, für die die Akten des Neustrelitzer Archive über Hexenprozesse die Grundlage bilden, mag eine Aufzählung aller bekannten Hexenprozesse im Land Ratzeburg bilden.

?
Schelsche in Stove verbrannt.

1604
werden Maria Witte und Engel Braun in Schönberg verbrannt, als Hexen werden noch in Untersuchung gezogen ein Bracherweib Anna nebst Tochter Barbara, Floersche Budow und die Windowsche aus Schönberg, die Hirtin zu Sulstorf, sowie die Bosssche zu Malzow, doch wissen wir über deren Schicksal nichts.

1609
Frau und Tochter des Pastors Spengler in Schönberg. Ergebnis unbekannt.

1611/12
Anna Grebe aus Pogez wird fünfmal gefoltert, ohne ein Bekenntnis abzulegen, wahrscheinlich freigelassen.

1624.
Die Grotesche in Thandorf. Ihr Urteil ist nicht erhalten, wird vom eigenen Sohn angezeigt.

1624.
Hans Reimer aus Reddingstorf verbrannt.

1630.
Chim Bussow, Landstreicher, Urteil nicht erhalten, Folter.

1631.
Hirtin Telsche Lühr aus Kleinfelddreimal gefoltert, wahrscheinlich verbrannt.

1633.
Life Käselow aus Törpt freigesprochen.

1646.
Langermannsche aus Schaddingstorf verbrannt.

1666/67.

Telsche Morian aus Schlagbrugge verbrannt.

1667.
Katharina Grunwohld aus Klockstorf in Stove verbrannt. Anna Zander aus Klockstorf verbrannt. Anna Robrans, Schulzenfrau, und Anna Stövesand aus Klockstorf landesverwiesen.
Das Schicksal von Magdalene Barsch und Anna Cobers aus Klockstorf, Magarete Cowers aus Carlow und Catharine Möller ist unbekannt.

1667/68 Telsche Blank aus Gross-Mist verbrannt.

1669/70.
Wohlmannsche aus Falkenhagen und Wilbrandsche aus Greiben verbrannt.

1672
Gesche Kröplin aus Rabensdorf freigesprochen.

1687
Anna Wiencke aus Demern verbrannt.

1687/88
Trin Ahrens aus Demern freigesprochen.

1689
Sophie Nieland, Greta Jirschen, Trine Finnen aus Bennin verbrannt.

1689
Anna Jölps aus Gross-Bünsdorf freigesprochen trotz Einspruchs der Dorfschaft und ihres eigenen Mannes.

1692
Trine Schmidt landesverwiesen.

 

Beilage

Anno 1689, den 17. Juli, früe umb 6 Uhr auf Verordnung und Erkäntniss der hochfürstl. Mecklenb. Hochverordneten Herrn Direktor etc. ist die Hexerei halber inhaftierte Grete Jirschen aus dem Amtshause Schoenenberg für ein ordentlich formiertes Gricht gefordert, da im Namen Jhro hochfürstlich Durchlaucht Herr Johann Friedrich Flügge, Praeses, Johann Georg Krummbügel und Jochim Siemers Assessores gewesen und ganz ernstlich, treu und fleißig, so viel immer geschehen können, hast bei einer Stunde ermahnet, dem lieben Gott und dem Gerichte nunmehro die Ehre zu gönnen, von ihrer erlernten und verübten Zaubern die wahrheit in Güte zu bekennen und ihrem Leibe durch hartnäckiges Verneinen keine Unlust und Pein zu veruhrsachen.
Worauf sie zur Antwort gab: Sie hätte Gott nicht verleugnet, den Buckbitt könne sie stillen, das hätte sie von einem alten Mann, der eine Nacht oder 4 in ihrem Hause sich aufgehalten, sonsten gebettelt, namens Chim Gätcken gelernt, sagte ohn Unterlass: Sie hätte Gott nicht verleugnet, sie wäre unschuldig.

Man fragte:
Aus was Ursachen sie aus der gefängnus gebrochen und flüchtig geworden?

Resp.:
Man möchte es ihr zur Dummheit nehmen, es wehren zuweilen Leute bei ihr gewesen, die sie doch nicht kennete, die hätten zu ihr gesagt, sie wollten nimmer so unschuldig sitzen, deswegen hätte sie auch gedacht, davon zu gehen.

Ward weiter gefragt:
Ob sie nicht zu denen Leuten, so sie wieder gefunden, gesagt, sie möchten ihr doch gehen lassen, was ihnen mit einer Handvoll Bluts gedienet? 
 

Der Frohn zog sie ein wenig härter an, sie blieb aber dabei: Sie wehre unschuldig. Man wolte ihr nur das Leben nehmen, sie hätte ihre Seele Gott gefohlen. Sie hätte mit dem stinkenden Satanas nichts zu thun. Was sie nicht wusste, könnte sie nicht sagen. Anders könte sie nichts als den Buckbitt, das Mahl und das Versangen stillen, das hätte ihr Chim Gätcke gelehrt, nachdem er ihr vor 25 Jahren den Buckbitt selber gestillet. Sie wollte über die alte Hexe schreien, über die Nielandsche, am Jungsten Tage. Sie bliebe bey dem lieben Gott, hätte keinen Bund mit dem Teufel gemacht.
Hiernegst ward sie nacheinander etliche Mahl und einmal recht hart angezogen, auch brennender Schwefel ihr, wiewoll nur weinig, auf die Gruft gestrichen. Sie blieb aber dabey, und sagte: Sie wehre unschuldig. Sie könte sich von dem lieben Gott nicht geben, unschuldig, unschuldig, das führte sie immer im munde. Ob nun woll der Frohn ihr mit der Ruhte noch hefftig Striche, war doch alles vergeblich. Sagte einmal: Ach, ik kann dat nich lenger utholden. Er continuirte mit dem Streichen. Sie wollte aber nichts bekennen, sondern blieb dabey: Sie wehre unschukldig. Und welcher Gestalt nachdem mit der continuirlichen Tortur eine Stunde zugebracht worden, ward dieser Actus dies Mahl geendigt und Grete Jirschen wieder nach der Gefengnus gebracht. Actum anno et die ut supra und in Gegewart oberwehnten Herrn Richters und Assessoren.
Evdem die, nachmittage umb 2 Uhr ließ man Grete Jirschen aber mahl für Gericht kommen und nachdehm sie wiederum ermahnet ward, sich nicht weiter halsstarrig zu halten und zu verursachen, dass sie musste noch einmal gepeinigt werden, sondern die Wahrheit von ihrer Zauberkunft bekennen. Antwortete dieselbe: Nun wolle sie alles bekennen und nichts verschweigen.
(Dann folgen die üblichen Fragen im Hexenprozess, die bei allen Prozessen dieselben sind. Auch die Auslagen bieten nichts Neues.)